Hochtal in der Silvretta (Alpen)
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Gebirgspflanzen
haben eine besondere Faszination. Der meist kompakte Wuchs, die relative
Anspruchslosigkeit und die oft farbenfrohen, z. T. überdimensionalen
Blüten vieler Gebirgspflanzen haben die Menschen seit jeher begeistert.
Der Wunsch, solche Kleinode im eigenen Garten zu pflegen, ist so alt wie
die Ziergartenkultur. |
Speziell für
die Vegetationsentwicklung von Bedeutung waren die mehrfachen Inlandvereisungen
von den Polen und teilweise den Hochgebirgen her. Sie erfolgten sehr langsam
und stießen gebietsweise weit auf die Kontinente vor. Während
auf den alten Kontinentalplateaus die Vereisung eine geringere Rolle spielte,
wurde insbesondere Mitteleuropa durch die Eiszeiten stark überprägt.
Die Eisschilde der Gletscher trieben die angepassten nordischen bzw. südlichen
Pflanzenarten förmlich vor sich her. Die Vergletscherung der Hochgebirge
sorgte umgekehrt dafür, dass Pflanzen in die Täler und in das
Flachland zurückgedrängt wurden.
Mit dem Rückzug der Eismassen in Richtung der Pole bzw. in die Gebirge
folgten die Pflanzen, eroberten sich Lebensräume neu und optimierten
ihre Anpassungsmechanismen.
Gerade im Laufe dieser erdgeschichtlichen Perioden und Prozesse entstanden
Pflanzenarten, die es im Laufe der wiederkehrenden Bedingungen verstanden,
die Bedingungen in den Kaltzeiten immer besser zu meistern.
Dieser Artbildungsprozess war insbesondere in den Gebirgen zu beobachten:
Es fällt auf, dass die nordische Flora weit artenärmer ist,
als die Flora der Gebirge. Einerseits ist das sicher dadurch bedingt,
dass die geologischen Verhältnisse, besonders im Hinblick auf den
pH-Wert und die Bodenbildungsfunktion der Grundgesteine in den Gebirgen
wesentlich vielfältiger ist als auf den meist vulkanischen Festlandsockeln
der polnahen Gebiete. Andererseits sorgt natürlich auch die ausgeprägte
Relieffierung der Gebirge in Kombination mit den jahreszeitlichen Abläufen
für die Möglichkeit der Herausbildung besonderer Kleinklimate.
Dadurch entstehen auch in ungünstigen Kaltzeiten im Gebirge Rückzugsräume
für Pflanzenarten, während der von den Polen einrückende
geschlossene Inlandeispanzer solche Bedingungen nicht zuließ.
Geht man davon aus, dass wir uns derzeit inmitten einer Warmzeit befinden,
lässt sich dieses Phänomen der Artbildung an der territorialen
Einnischung von Pflanzenarten anschaulich verfolgen. Viele Pflanzensippen,
die in den nordischen Gebieten ebenso zuhause sind wie im Gebirge, haben
durch fehlenden Genaustausch eigene Unterarten oder Arten ausgebildet.
Diese Endemiten sind im Vergleich zu den im Gebirge vorkommenden jedoch
in gravierender Unterzahl.
Die Abbildung
zeigt die Vorkommen endemischer Pflanzenarten im Vergleich der nordeuropäischen
Areale zu den europäischen Gebirgen (aus Ellenberg, H.: Vegetation
Mitteleuropas mit den Alpen in ökologischer, dynamischer und historischer
Sicht; 5. Aufl., Ulmer, Stuttgart 1996).
Selbst im Gebirge
wurden Stammformen solcher Endemiten im Laufe der Besiedlungsprozesse
auf Grund von unüberwindbaren Ausbreitungsbarrieren (z. B. vereiste
Bergzüge oder Wasserscheiden) von ihren nächsten Verwandten
getrennt und passten sich neuen kleinklimatischen Bedingungen an. Dieses
Phänomen lässt sich besonders gut entlang der europäischen
Alpenkette verfolgen.
Nicht wesentlich anders verhält sich das natürlich in den anderen
Gebirgen. Die Arealtrennung durch die erdgeschichtliche Entwicklung (Plattentektonik)
hat jedoch dazu geführt, dass ganz andere Pflanzensippen auf den
Kontinenten bestimmte ökologische Nischen besetzen. Besonders auffällig
ist das in den Gebirgen der Südhalbkugel, in denen Pflanzengattungen
vegetationsprägend sind, die auf der Nordhalbkugel und sogar innerhalb
der Südhalbkugel-Florenreiche überhaupt keine näheren Verwandten
haben.
Weniger stark ausgeprägt, aber doch deutlich findet man dieses Phänomen
beim Vergleich der europäischen Gebirge und der Rocky Mountains in
Nordamerika. Man nimmt an, dass die tektonisch begründete Arealtrennung
auf der Nordhalbkugel eine wesentlich jüngere Geschichte hat als
auf der Südhalbkugel.
Pflanzenarten, die sich im Wechsel der Kalt- und Warmzeiten extremen Standorten
angepasst haben, sind heute sowohl in den Gletscherregionen der Gebirge
als auch den arktischen Regionen verbreitet.
Manche Arten haben sogar die Barriere des Nordmeeres über Island
und Grönland bis nach Nordamerika überwunden. Einige Arten,
wie die Alpenazalee Loiseleuria procumbens, kommen sowohl in den europäischen
Gebirgen und den arktischen Gebieten Europas und Nordamerikas vor. In
der Botanik bezeichnet man solche Weltenbürger als circumpolare Arten.
So ist es schon
ein besonderes Erlebnis, wenn man an den Fjorden Nordnorwegens oder in
Alaska alte Bekannte aus den Alpen trifft
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