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Licht und Sonne

Auf den offenen Matten der Hochgebirge sind die Pflanzen den ganzen Tag dem vollen verfügbaren Licht mit hohem UV-Anteil ausgesetzt. Für Arten der Schluchten oder Steilhänge ist im Allgemeinen mit dem wandernden Schatten umliegender Berge die Sonneneinstrahlung irgendwann am Tag schlagartig vorbei. Pflanzen der polnahen arktischen und antarktischen Gebiete kennen nur die flachstehende "rund-um-die-Uhr"-Sommersonne und die kalte Dunkelheit des Winters.
Dazu kommt, dass das Verhältnis der Bodenfeuchtigkeit zur Sonneneinstrahlung in Gebirgen und polnahen Gebieten nicht mit dem der mitteleuropäischen Flachlandstandorten vergleichbar ist. Die Sonneneinstrahlung kann im Gebirge zwar örtlich auch hohe Oberflächentemperaturen bewirken, andereseits ist auch unter diesen Bedingungen die Luft- und Bodenfeuchtigkeit im Gebirge deutlich höher. Dazu tragen zum einen die höheren Niederschlagsmengen im Gebirge bei, zum andern bewirkt die nächtliche Abkühlung die Kondensation des Luft-Wasserdampfes an Steinen, Erde und Pflanzenkörper.
Das Problem der Sonneneinstrahlung und der Schaffung eines möglichst stabilen Wasserhaushalts ist also bei der unmittelbaren Standortvorbereitung eines der gravierendsten. Besondere Brisanz erhält das Thema auch, weil zur Nachbildung der Naturstandorte schon in der Planung und Architektur des Steingartens besondere Vorkehrungen notwendig sind. Nachträgliche, großflächige Korrekturen sind oft nur schwer möglich. Besondere Sorgfalt ist beim Bau von Steingartenanlagen in den niederschlagsärmsten Gebieten Deutschlands notwendig, wenn man wirkliche Hochgebirgsspezialisten kultivieren möchte.

Zunächst sollte man versuchen, den Steingarten selbst in Südost-Nordwest-Richtung anzulegen. Das wird bei Beachtung folgender Überlegungen verständlich: Bei der Einrichtung der Pflanzflächen sollte die Sonneneinstrahlung mit einer möglichst geringen Verdunstungsrate kombiniert werden. Es ist also anzustreben, den tatsächlich wirkendenden Sonnenwinkel im Hochsommer möglichst klein zu halten. Diese sogenannten absonnigen Standorte erreicht man auf vielen Flächen der Nordost-Flanke. Auf der Südwestflanke ist es auf vielen Pflanzplätzen möglich, durch geschickte Steinsetzung oder Kombination mit kleineren Gehölzen ähnliche Verhältnisse, oder zumindest eine Schattierung vor der Mittagssonne zu erreichen. Die diesbezüglichen Nachteile der Südwestflanke werden allerdings etwas durch die bessere Verfügbarkeit wenig ergiebiger Sommerniederschläge ausgeglichen, die der Westwind mit sich bringt.

Besondere Ansprüche an Licht und Sonne stellen viele "Neuseeländer" oder aber "Südafrikaner". Das gemäßigte, meist recht trockene Klima der Heimatgebiete ließ vielen der dortigen Gebirgspflanzen einen regelrechten Pelz wachsen, der als Wasserfänger und Ver-dunstungsschutz dient. Die feinen Härchen "kämmen" die nächtliche Luftfeuchtigkeit aus, die Tropfen rinnen in die oft dichten Polster. Allerdings sind die mit Härchen übersäten Blätter empfindlich gegenüber warmer Feuchtigkeit und anhaltender Nässe, die sie aus ihrer Heimat kaum kennen.

Am Besten ist es deshalb, Pflanzen aus diesen Regionen einen gut drainierten, mit Splitt bestreuten Ost-Platz einzuräumen. Hier trocknen die ersten sommerlichen und besonders herbstlichen Sonnenstrahlen am Morgen die Blätter recht schnell ab. Volle Mittagssonne stellt für die Pflanzen vom südlichen Ende der Welt dagegen kein Problem. Im Winter ist der Schutz vor übermäßiger Feuchtigkeit unbedingt notwendig, da die dichten Polster bei feuchtmildem Winterwetter ohne Schutz häufig in Flecken ausfaulen. Eine Glasplatte oder ein kleines Holzgestell mit Folienbespannung "wirkt Wunder".

Der Gegenpart sind die "Atlantiker" aus dem hohen Norden. Gebirgspflanzen der atlantischen Gebiete und auch Arten der arktischen Tundra vertragen auch schon mal Staunässe und feuchte milde Perioden im Winter. Das Problem ist ihr hoher Lichtanspruch und die Unverträglichkeit der heißen Sommersonne. Die besten Erfahrungen habe ich auf der Westseite, aber auch hinter etwas höheren Steinkanten der absonnigen Seite gemacht. Ein Mitteleuropa-Sommer ganz ohne Brandflecken kommt allerdings kaum vor. Im Winter sind sie dagegen nicht weiter kompliziert. Ich habe bisher nicht festgestellt, dass die kalte Dunkelheit ihrer Heimat bei uns besondere Maßnahmen notwendig macht. Allerdings kann es sein, dass sie bereits sehr zeitig im Jahr austreiben, dabei aber frostverträglich sind.

Eine eigene Licht-Sonne-Kategorie bilden auch einige immergrüne Arten der tiefschneebedeckten Gebirgshänge. Die Dunkelheit unter der Schneedecke stoppt im Winter die Vegetationsperiode, die für die Pflanzen bei Temperaturen um den Gefrierpunkt (unter dem Schnee) eigentlich noch nicht zuende ist. Solche Arten, namentlich die Polsterkugelblumen aus den Alpen (Globularia spec.) und immergrüne Bartfadenarten aus den Rocky Mountains (Penstemon spec.) reagieren bei der häufig fehlenden Schneedecke in unsen Gefilden problematisch auf die Wintersonne: Sie wachsen einfach weiter und die jungen Triebe erfrieren dann samt den Blütenansätzen schon bei geringen Frostgraden. Eine sorgfältige Winterabdeckung gegen die Sonne ist für den Blüherfolg solcher Arten unabläßig.

Für einen Moment sollten Sie das gerade Gelesene jedoch wieder vergessen ! Völliges Umdenken ist bei den winterharten "Südländern" aus dem Mittelmeergebiet, der Türkei und Vorderasien notwendig. Diese Gebirgspflanzen finden in Mitteleuropa an sich hervorragende Wuchsbedingungen. Im Gegensatz zu ihren heimischen Gefilden sind die Niederschlagswerte hier sogar höher, die hochstehende brennende Sonne ihrer Heimat, die dort Laub und Triebe im Sommer regelmäßig verdorren lässt, ist in Mitteleuropa gemäßigter. Sie danken das mit üppigem Wuchs und sind in der Lage, in wenigen Jahren "Quadratmeter" einzunehmen. Auslesen oder Hybriden solcher Arten sind Bestandteile vieler Staudensortimente, da sie kaum größere Standortansprüche stellen. Besonders verbreitet sind die Blaukissen- und Sonnenröschen-Hybriden (Aubrieta spec., Helianthemum spec.), Schleifenblumen (Iberis spec.) und Gänsekresse (Arabis spec.). Es gibt keinen Grund, die attraktiven Arten aus dem Steingarten zu verbannen, doch sollte man tunlichst die unmittelbare Nachbarschaft mit den schwachwüchsigeren Arten anderer Gebiete vermeiden. Meine Erfahrung mit "Südländern" zeigt, dass man möglichst auf die weniger ausbreitungsintensiven botanischen Arten zurückgreifen, ihnen nur begrenzte Wuchsorte wie Steinspalten zubilligen und an steilen Süd-Trockenmauern vollste Sonne und kargen Boden geben sollte. Die Sommerhitze und -trockenheit lässt die Pflanzen kompakt wachsen, aus den Steinspalten "fließt" das Blütenmeer im Frühjahr über die Steine der Trockenmauern. Dennoch kommt man über einen "Formschnitt" im August/ September oft nicht herum.

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